
Digitalisierung
Anspruch von Patienten auf kostenlose Herausgabe ihrer Krankenakte
Patienten haben einen Anspruch auf eine kostenlose Kopie ihrer vollständigen Patientenakte, so entschied der europäische Gerichtshof am 26. Oktober 2023 (Aktenzeichen: C-307/22) und bestätigte damit eine Entscheidung des Landgerichts Dresden aus dem Frühjahr 2020. Unerheblich ist dabei, aus welchem Grund der Patient eine Kopie fordert. Zum Hintergrund: Ein Patient hatte bei seiner behandelnden Zahnärztin eine Kopie seiner Patientenakte angefordert, da er wegen eines Behandlungsfehles gegen sie vorgehen wollte. Die Zahnärztin forderte im Gegenzug die Kostenübernahme für die Herausgabe der Kopien.
19. Dezember 2023
Entscheidung beruht auf datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten
Bisher war es Usus, dass Patienten für die Herausgabe ihrer Akte seitens der Praxis die Kopierkosten in Rechnung gestellt wurden. Grundlage hierfür ist § 630g BGB, wonach der Patient dem Behandelnden die entstandenen Kosten erstatten muss, sofern er eine Abschrift seiner Patientenakte verlangt.
Im vorliegenden Fall wurde jedoch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) als Grundlage für die Klage herangezogen. Nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO in Verbindung mit Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO hat der Verantwortliche eine erste Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.
Diese unentgeltliche Zurverfügungstellung einer ersten Kopie ist auch insbesondere nicht davon abhängig, dass der Patient sein Herausgabeverlangen begründet. Es kommt also nicht darauf an, ob der Patient die Kopie lediglich aus allgemeinem Interesse fordert, oder weil er – wie im zugrundeliegenden Fall – wegen etwaiger Behandlungsfehler gegen seinen Behandler vorgehen möchte. Demnach ist auch durchaus denkbar, dass Patienten eine Kopie verlangen, weil sie von ihrem Kostenerstatter aufgefordert wurden, diese beizubringen.
Nach der Entscheidung des EuGH kann das Herausgabeverlangen auch nicht abgewiesen werden, wenn damit ein anderer Zweck verfolgt wird als der, von der Datenverarbeitung Kenntnis zu nehmen.
Im Hinblick auf den Umfang der Kopie führt der EuGH aus, dass der Patient „eine vollständige Kopie der Dokumente“ erhalten muss, die sich in der Patientenakte befinden. In Bezug auf die Gesundheitsdaten müssen insbesondere Informationen wie bspw. Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst sein.
Ein angemessenes Entgelt kann lediglich dann verlangt werden, wenn es sich um einen „offenkundig unbegründeten oder exzessiven Antrag“ handelt. In welchen Fällen es sich um solche unbegründeten Anträge handelt, führt der EuGH leider nicht weiter aus.
Entgelt für jede weitere Kopie
Für jede weitere Kopie kann jedoch weiterhin ein angemessenes Entgelt verlangt werden.
Hierzu dürften – wie bisher auch – in Anlehnung an die Regelungen im Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz (JVEG) Kopien mit jeweils 0,50 EUR pro Seite (für die ersten 50 Seiten – 0,15 EUR für jede weitere Seite) berechnet werden. Röntgenbilder, die auf einem Datenträger (z.B. CD) ausgehändigt werden, dürfen mit 5,00 EUR berechnet werden.
Ebenfalls dürfen anfallenden Portokosten weitergegeben werden, wenn der Patient die Kopien nicht in der Praxis abholt.
Bei digitaler Herausgabe der Akte bleibt dies für Patienten kostenfrei. Beim digitalen Versand ist unbedingt die datenschutzkonforme Verschlüsselung zu achten.
Handlungsempfehlung: Die Entscheidung des EuGH sollte sofort umgesetzt werden! Händigen Sie Ihren Patienten die erste Kopie ihrer Patientenakte kostenfrei aus und vermerken dies in der Patientenakte. Sollten Patienten weitere Ausfertigungen fordern, können Sie für jede weitere Kopie der Patientenakte ein entsprechendes Entgelt verlangen.
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Tanja Cramer-Schmidt
Legal Counsel