Praxismanagement

Ich bin dann mal weg:
Vertretung in der Vertragsarztpraxis

Wird eine vertragsärztliche Praxis (bspw. wegen Urlaubs) gänzlich geschlossen oder sind einzelne Ärzte/Ärztinnen abwesend, müssen einige (Vertretungs-)Spielregeln eingehalten werden.

27. Oktober 2022

Vertretung nur bei Abwesenheit

Die Organisation einer Vertretung ist nur dann notwendig oder verpflichtend, wenn der Arzt oder die Ärztin tatsächlich nicht in der Praxis anwesend ist. Ist der oder die zu Vertretende „im Dienst“, aber (zeitweise) anderweitig beschäftigt (z. B. mit ambulanten Operationen, Hausbesuchen) handelt es sich nicht um vertretungsrelevante Abwesenheiten, sondern lediglich um genehmigungspflichtige Assistenzkonstellationen.

Regelmäßig wiederkehrende stunden- oder tageweise Abwesenheiten sind ebenfalls keine zulässigen Vertretungssituationen. Sollten stunden- oder tageweise Vertretungen aus bestimmten Gründen notwendig sein (z.B. ärztliche Aus- oder Weiterbildung, welche im Gegensatz zu einer ärztlichen Fortbildung langfristig ausgelegt sind), handelt es sich um vorab genehmigungspflichtige Vertretungssituationen, da sie zur dauerhaften Reduzierung der Arbeitszeit führen. In solchen Fällen kann alternativ zur Vertretung auch die Anstellung eines Assistenten oder das hälftige Ruhen der Zulassung in Frage kommen.

Für zeitversetzte Sprechstunden von Praxisgemeinschaften gilt: Die Behandlung von Patienten des Kollegen während dessen sprechstundenfreien Zeiten ist nur im Notfall als „Notfallbehandlung“ (nicht als Vertretung) möglich.

Vertretungsgründe

In § 32 Ärztezulassungsverordnung (Ärzte-ZV) sind die Gründe, in denen Vertretungen zulässig sind, abschließend festgelegt:

  • Urlaub

  • Krankheit

  • Teilnahme an einer ärztlichen Fortbildung

  • Wehrübung

  • Entbindung (ab Beginn Mutterschutz)

  • Kindererziehung

  • Pflege naher Angehöriger

Hinweis:

Im Todesfall eines Vertragsarztes gelten diese Vertretungsregeln nicht. Soll die Praxis eines verstorbenen Vertragsarztes bis zur Zulassung eines Nachfolgers fortgeführt werden, müssen die Erben beim Zulassungsausschuss eine Ermächtigung für einen ärztlichen „Vertreter“ für die Übergangszeit beantragen.

Grundsätzliche Regeln

Fachgruppenidentität

Ein Vertragsarzt kann sich nur durch Kollegen derselben Fachgruppe vertreten lassen, § 3 Abs. 2 Ärzte-ZV (BSG, Urt. v. 14.12.2011, Az.: B 6 KA 31/10 R). Der Vertretungsarzt muss aber keine vertragsärztliche Zulassung haben. Es kommt grundsätzlich allein auf die übereinstimmende fachärztliche Weiterbildung an. Ausnahmsweise – im Bereich der Hausärztlichen und Allgemeinen Inneren Medizin – muss zudem berücksichtigt werden, dass der abwesende Vertragsarzt und der Vertretungs-Vertragsarzt auch zu demselben Versorgungsbereich (hausärztlich vs. fachärztlich) gehören. Die zwingende Voraussetzung der Fachgruppenidentität gilt auch für die „unechte“ Vertretung von ärztlichen Kollegen innerhalb derselben Praxis (bspw. darf ein Hausarzt bei Vertretung innerhalb derselben Praxis keine fachärztlichen Leistungen erbringen).

Spezielle Leistungen

Werden spezialisierte Leistungen vom abwesenden Arzt angeboten, die nur mit einer Zusatzqualifikation bzw. KV-Genehmigung abrechenbar sind (bspw. Akupunkturen), muss der Vertretungsarzt selbst über die entsprechende Qualifikation/Genehmigung verfügen. Das muss bei der Auswahl des Vertretungsarztes berücksichtigt werden. Anderenfalls können diese entsprechenden Leistungen nicht erbracht und abgerechnet werden.

Information der Patienten

Es ist dafür Sorge zu tragen, die Patienten rechtzeitig über die Abwesenheit und ggf. getroffene Vertretungsregelung zu informieren (z.B. Ansage auf Anrufbeantworter, Mitteilung am Eingang der Praxis, Hinweis auf der Praxis-Website).

Hinweis

Der Ärztliche Bereitschaftsdienst (ÄBD) der KV ist kein Vertreter. Es ist also nicht zulässig, die Patienten auf den ÄBD zu verweisen.

Anzeigepflicht

Die Vertretungs- bzw. Abwesenheitszeiten müssen bei der zuständigen KV angezeigt werden (i. d. R. über die Mitgliederportale möglich), sofern die Abwesenheit länger als 1 Woche dauert. Bei der Abgabe der Abrechnung in der Vierteljahreserklärung sind alle Abwesenheitstage anzugeben.

Vertretungsdauer und KV-Genehmigung

Die maximale Dauer der Vertretung hängt vom Vertretungsgrund ab. In den meisten Vertretungsfällen (Urlaub, Krankheit, Fortbildung und Wehrübung) können sich Vertragsärztinnen und -ärzte insgesamt bis zu 3 Monate (65 Arbeitstage) innerhalb eines Jahres vertreten lassen, ohne dass eine Genehmigung erforderlich ist. Bei einer Vertretung bis zu vier Stunden an einem Tag, zählt dies bei den meisten KVen als ein halber Tag und eine Vertretung mehr als vier Stunden am Tag, zählt als ganzer Tag. In manchen Vertretungsgründen oder bei längeren Vertretungszeiträumen, muss die KV dies vorab ggf. genehmigen.

Vertretungsgrund

Genehmigungsfrei

Genehmigungspflichtig

Urlaub

bis 3 Monate

ab dem 4. Monat

Krankheit

bis 3 Monate

ab dem 4. Monat

Fortbildung

bis 3 Monate

ab dem 4. Monat

Wehrübung

bis 12 Monate

ab dem 13. Monat

Entbindung

bis zu 36 Monate

Pflege naher Angehöriger

bis zu 6 Monate

Verstöße gegen die Vertretungsregeln

Verstöße gegen die vertragsärztlichen Vertretungsregelungen bzw. gegen den Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung (u.a. § 32 Ärzte-ZV, § 18 BMV-Ä) können Honorarrückforderungen zur Folge haben (bspw. wegen unvollständiger Meldung der Abwesenheitszeiten und Abrechnung unter der falschen LANR, SG München, Urt. v. 20.01.2017, Az.: S 28 KA 698/15 oder unzulässige stundenweise „Vertretung“, SG München, Urt. v. 25.03.2021, Az.: Az. S 38 KA 262/19).

Die KVen sind berechtigt die Richtigkeit der Abrechnungen der zurückliegenden 2 Jahre (ausgehend vom Zeitpunkt der Prüfung) zu prüfen und bei Feststellung von Verstößen das insofern zu Unrecht gezahlte Honorar zurückzufordern. Die Berechnung des Schadens im Fall von unzulässigen Vertretungen variiert, da dies im Ermessen der KVen liegt. Im Fall des SG München vom 20.01.2017 (Az.: S 28 KA 698/15) wurde die Gesamtrückforderungssumme berechnet indem die Zahl der unrechtmäßigen Vertretungstage mit dem durchschnittlichen GKV-Tageshonorar des betroffenen Arztes multipliziert worden ist. Abhängig vom Umfang der falsch abgerechneten Vertretungstage können sich in solchen Fällen also erhebliche Rückforderungssummen ergeben.

Dieser Artikel ist von

Meike Schmucker

LL.M. Medizinrecht
Consultant Arztmarkt, Redakteurin

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