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BFS bei der PKV Jahrestagung – Im Fokus: Nachhaltige Finanzierung

Die Bühne der PKV Jahrestagung 2022 in Berlin war prominent besetzt: Neben Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach, sprach Jessica Hanneken mit dem CDU Generalsekretär Mario Czaja und Jungpolitikern der Ampelparteien und der Union über die Zukunft der sozialen Sicherung in Deutschland.

Ralf Kantak, Vorsitzender des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV), teilte in seinen Grußworten mit, dass die  Gesamtzahl an Versicherungen um fast eine Million auf 37,1 Millionen anstieg – zum Vergleich: 2017 waren es 34,2 Mio. Versicherungen. Auch die Beitragseinnahmen der PKV sind durchschnittlich um 4% gestiegen von 39 Mrd. € im Jahr 2017 auf 45,3 Mrd. € im Jahr 2021. Die Zahl der Zusatzversicherungen wuchs um 3,5 Prozent auf insgesamt 28,4 Millionen.

Bundesgesundheitsminister findet lobende Worte

Der Bundesgesundheitsminister Lauterbach dankte der PKV in seiner Rede für die „zentrale Rolle“ die sie bei der Pandemiebewältigung gespielt habe. Die PKV habe nicht nur den Pflichtanteil erledigt, sondern sei z.B. mit dem Aufbau von Impfzentren, Maskenbeschaffung oder Schutzschirmen für Pflegeeinrichtungen auch darüber hinaus aktiv gewesen. Obwohl Lauterbach über mehrere Jahre hinweg für eine Bürgerversicherung kämpfte, bezeichnete er die PKV „als Bestandteil der Versorgung (…) auf den wir nicht verzichten können“ und räumte der PKV – zum Erstaunen aller im Veranstaltungsraum – einen Platz in seinem „gesundheitspolitischen Herzen“ ein. Zudem hob er weitere Themen seiner gesundheitspolitischen Agenda hervor. Dazu zählt eine große Krankenhausreform, Förderung neuer Versorgungsangebote in sozialschwächeren Regionen z.B. die Gesundheitskioske und ein Gesetz zur Pflegeentlastung. Ein weiterer Punkt ist die Bewältigung des 17-Milliarden-Euro-Defizits in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Einen entsprechenden Gesetzentwurf werde er in Kürze vorlegen, kündigte er an. In seinen Schlussworten sprach er über eine neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) für das die PKV gemeinsam mit der Bundesärztekammer einen entsprechenden Entwurf erarbeitet hatte. Schnell wurde deutlich, dass dieses Thema nicht angegangen wird. „Ich prüfe das vorurteilsfrei“, hieß es knapp zu diesem Thema.

Jessica Hanneken sprach im Anschluss mit CDU-Generalsekretär Mario Czaja über die Frage, wie Soziale Sicherung fair und generationengerecht gestaltet werden kann. Lösungsansätze sah er vor allem in einer stärkeren Eigenverantwortung und mehr privater Vorsorge, dazu gehöre zum Beispiel die Stärkung der betrieblichen Zusatzversicherung in der Pflege.

Paneldiskussion: Reformen für eine nachhaltige Finanzierung

Passend zu der Frage „Next Generation für mehr Nachhaltigkeit – steuert die junge Generation in der Politik jetzt um?“ – diskutierten die Jungpolitiker Franziska Brandmann, Vorsitzende der Jungen Liberalen, Paula Piechotta, MdB Bündnis 90/Die Grünen, Jakob Blankenburg, MdB und jüngstes Mitglied der SPD-Fraktion sowie Tilman Kuban, MdB und Vorsitzender der Jungen Union Deutschlands über mögliche Reformideen.

Der Impuls für die Podiumsdiskussion kam von Prof. Thiess Büttner, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg. In seinem Kurzvortrag erläuterte er, was steigende Kosten und der demografische Wandel für die Finanzierung der Sozialversicherungssysteme in Deutschland bedeuten: Laut Prof. Büttner wird der Sozialversicherungsbeitragssatz ohne grundlegende Reformen laut Prognosen bereits von derzeit 40 % auf über 45 % im Jahr 2030 gestiegen sein. Alternativ müssten jährlich bis zu 76 Milliarden Euro zusätzliche Steuersubventionen zur Stabilisierung der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung hinzukommen. Fest steht: Dies geht zu Lasten der heutigen jungen Generation.

Ralf Kantak leitete zur Diskussion über und äußerte sich kurz zu den Defiziten der Sozialversicherung. Diese seien kein vorübergehendes Problem, sondern eine Daueraufgabe. Die (finanzielle) Last werde – so waren sich die Diskussionsteilnehmer zum Start des Panels schnell einig – auf die Schultern der nachfolgenden Generationen verlagert, was deren Chancen und Handlungsfreiheiten stark beeinträchtige. Das gelte für Renten-, Kranken- oder Pflegeversicherung. Eine Debatte, die nicht neu ist und zuletzt durch die Empfehlung der Bundesbank Lebenserwartung und Renteneintrittsalter zu koppeln wieder Fahrt aufnimmt. Dies verringere den Druck spürbar, Stellgrößen wie z.B. den Beitragssatz für die Rentenkasse anpassen zu müssen, so die Bundesbank. Die Ampelparteien schließen eine Erhöhung des Rentenalters (aktuell 67 Jahre) aus.

Zurück zu den Meinungen auf dem Podium zur nachhaltigen Finanzierung: Reformen in der Kranken- und Pflegeversicherung sollten unter diesen Umständen nicht länger hinausgezögert werden, warnte Paula Piechotta. Auch Jakob Blankenburg setzte sich für mehr Verteilungsgerechtigkeit ein. Dass der Staat eine fürsorgliche Rolle spielt, findet der SPD-Abgeordnete positiv. Franziska Brandmann sah das anders: Für sie ist das Land an seine gesellschaftspolitischen Grenzen gestoßen. Laut der Vorsitzenden der Jungen Liberalen sollte nicht jede Herausforderung wirtschaftlich auf Kosten der nächsten Generation angegangen werden. Denn es ist wahrscheinlich, dass die heutige Jugend später mit weiteren Krisen fertig werden muss, die keinen Handlungsspielraum lassen. Tilman Kuban stellte für die Junge Union fest, dass zur sozialen Marktwirtschaft neben Solidarität auch die Eigenverantwortung gehöre. Diese sei aber abhandengekommen und es fehle eine generationengerechte Priorisierung sozialer Leistungen. Er war es auch der anmahnte, dass die Vorwürfe an Vorgängerregierungen nicht zielführend ist: „Wir alle hier waren ja persönlich nicht dabei – lasst es uns also gemeinsam besser machen als unsere politischen Vorgänger.“

Hintergrundinformation “Nachhaltige Gesetzgebung”

Mit dem Urteil das ein geplantes Klimaschutzgesetz gegen die Verfassung verstoße, hat das Bundesverfassungsgericht in aufsehenerregender Weise festgelegt, dass jüngere Generationen einen Anspruch darauf haben, die Lasten des Klimawandels nicht allein tragen zu müssen.  Intergenerationengerechtigkeit in Klimaschutzfragen ist folglich nicht mehr nur eine Floskel, sondern ein einklagbares subjektiv-öffentliches Recht auf Grundrechtsniveau. Die Entscheidung hat auch über den Klima und Umweltbereich hinaus Bedeutung, etwa für den Rechtschutz der jungen Generation in den Bereichen der sozialen Sicherungssysteme.

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