Abrechnung

EBM-Honorar ab 1.1.2023

12. Januar 2023

Mit dem seit dem 12.11.2022 in Kraft getretenen GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (wir berichteten bereits an früherer Stelle meinebfs.de/now/gkv-finanzstabilisierungsgesetz) wurde eine wesentliche honorarwirksame Änderung ab dem 01.01.2023 umgesetzt, die aus ambulanter Sicht im Fokus steht die Abschaffung der extrabudgetären Vergütung von sog. Neupatientenfällen (= ein Patient wird erstmals oder nach acht behandlungsfreien Quartalen in einer Praxis behandelt). Alle Leistungen auf diesen Behandlungsfällen für Neupatienten werden noch bis einschließlich zum 31.12.2022 extrabudgetär vergütet, sind also nicht budgetrelevant.  

Ab dem diesem Jahr fällt diese Systematik weg, sodass alle Behandlungsfälle bzw. Leistungen für neue Patienten wie vor Inkrafttreten des TSVG ganz gewöhnlich im budgetierten Bereich vergütet werden.

Meinung

Der Wegfall der extrabudgetären Neupatientenvergütung wird von der Ärzteschaft scharf kritisiert, dies insbesondere vor dem Hintergrund der kumulierten Belastungen aufgrund der Pandemie, von Personalmangel und (inflationsbedingt) steigenden Kosten. Angesichts dieser Gegebenheiten ist nicht zu erwarten, dass die Anhebung des Orientierungspunktwerts für 2023 um 2 % (11,4915 Cent) eine signifikante positive Auswirkung auf die Arzthonorare haben wird, auch wenn die Punktwerterhöhung für 2023 deutlich höher ausgefallen ist als in den Vorjahren (s. Honorarberichte der KBV, bspw. + 1,275 % in 2022).

Diese ernüchternde Perspektive erfordert nun pragmatisches Handeln in den Praxen: decken Sie bislang unerkannte Potentiale in Ihrer KV-Abrechnung und verschenken Sie kein Geld. 

Weniger „extra“ und mehr budgetär – was tun?

Spürbar wird sich die Einbudgetierung der TSVG-Neupatienten vor allem für die Praxen auswirken, die bislang viele Neupatienten behandelt haben und höhere Quartalshonorare aufgrund eines gestiegenen extrabudgetären Vergütungsanteils verdient haben. Ab dem 01.01.2023 werden in den betroffenen Praxen die RLV- bzw. ILB-relevanten Fallzahlen und der budgetierte Leistungsanteil deutlich steigen. Um gegebenenfalls gravierende Abweichungen im Quartalshonorar zu vermeiden, sollten die Praxen das Controlling zur auskömmlichen Abrechnung im budgetierten Bereich verstärken, insbesondere: solide RLV-/ILB-Fallzahlen, umfängliche Ausschöpfung der Zusatzbudgets, last but not least: die vollständige und fehlerfreie Einzelleistungsabrechnung.

Vor der Abrechnung

Jede Praxis sollte zudem kritisch in der jeweiligen KV-Region hinterfragen, ob mit den KV-spezifischen Vergütungsregelungen (Honorarverteilungsmaßstab) angemessen auf die Veränderung der Honorarsystematik reagiert worden ist.

Beispiel: Fallzahlzuwachsbegrenzung

Eine Anwendung der Fallzahlzuwachsbegrenzung und die Einbudgetierung der TSVG-Neupatienten hätten zur Folge, dass manche Vertragsärzte deutlich über ihrer individuellen Fallzahlgrenze liegen und damit unverhältnismäßig von den Konsequenzen der politisch gewollten Rückführung der TSVG-Neupatienten betroffen sind. Aus diesem Grund müssen die KVen die Fallzahlzuwachsbegrenzung für das Jahr 2023 (vorübergehend) aussetzen (so bspw. bereits in KV Baden-Württemberg und Nordrhein beschlossen).

Eine Anwendung der Fallzahlzuwachsbegrenzung und die Einbudgetierung der TSVG-Neupatienten hätten zur Folge, dass manche Vertragsärzte deutlich über ihrer individuellen Fallzahlgrenze liegen und damit unverhältnismäßig von den Konsequenzen der politisch gewollten Rückführung der TSVG-Neupatienten betroffen sind. Aus diesem Grund müssen die KVen die Fallzahlzuwachsbegrenzung für das Jahr 2023 (vorübergehend) aussetzen (so bspw. bereits in KV Baden-Württemberg und Nordrhein beschlossen).

Bereits im laufenden Quartal sollte jede Praxis prüfen, ob objektvierbare Gründe dafür vorliegen, die die Berücksichtigung von individuellen Besonderheiten im Budget erforderlich machen (bspw. Fallwertzuschläge, Erhöhung der Fallzahlzuwachsgrenze).

Nach der Abrechnung

Mit besonderer Sensibilität sollten alle Praxen die erste Quartalsabrechnung 1/2023 prüfen, sobald diese in den Praxen zugehen (Mitte Juli 2023). Sofern die Prüfung Auffälligkeiten zeigen sollten, die mit dem Bruch der TSVG-Systematik zusammenhängen, sollten honorarausgleichende Antragsverfahren in Betracht gezogen werden.

Die Kompensation

Der Wegfall der extrabudgetären Neupatientenfälle soll mit einer Anpassung der bisherigen Zuschläge einer schnellen Terminvermittlung ausgeglichen werden:  

Ab 01.01.2023 werden die extrabudgetären Zuschläge auf die Versicherten- bzw. Grundpauschale für Patientinnen erhöht, die von der TSS an eine hausärztliche oder fachärztliche Praxis verwiesen worden sind. Die Zuschläge sind gestaffelt:

  • 200 % Zuschlag bei Akutbehandlung am nächsten Kalendertag nach Kontaktvermittlung durch die TSS 

  • 100 % Zuschlag bei Behandlung bis spätestens am 4. Tag nach Terminvermittlung 

  • 80 % Zuschlag bei Behandlung bis spätestens am 14. Tag nach Terminvermittlung 

  • 40 % Zuschlag bei Behandlung bis spätestens am 35. Tag nach Terminvermittlung 

Fachärztinnen und -ärzte können die Zuschläge (mit Ausnahmen des Zuschlags im Akutfall) auch dann abrechnen, wenn der Termin durch einen Hausarzt vermittelt wurde. Die Behandlung wird weiterhin extrabudgetär und damit in voller Höhe vergütet. Hausärzte erhalten für die zeitnahe Vermittlung des Termins beim Facharzt 15 Euro statt bislang 10 Euro. Die Wirkung der Zuschläge soll halbjährlich evaluiert werden.

Offene Sprechstunde

Untersuchungen und Behandlungen, die im Rahmen der offenen Sprechstunde erbracht werden, werden zwar weiterhin extrabudgetär vergütet, unterliegen aber auch einer Beschränkung: Sofern die abgerechnete Leistungsmenge einer Arztgruppe um mehr als 3 % steigt, wird ein Teil der Vergütung für die Leistungen in der offenen Sprechstunde aus der Morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) genommen werden. Die offene Sprechstunde soll zudem bis 2024 evaluiert werden. Möglicherweise wird Ende des kommenden Jahres auch über die Streichung dieser TSVG-Regelung diskutiert.  

Bitte berücksichtige: Durch den Wegfall der Neupatientenregelung ist es ab dem 01.01.2023 notwendig auch die Neupatienten, die in der offenen Sprechstunde behandelt werden, als offene Sprechstunde zu kennzeichnen. Insgesamt können in der offenen Sprechstunde bis 17,5 Prozent der Fälle einer Praxis pro Quartal behandelt und abgerechnet werden. 

Auch wenn die Einbudgetierung der Neupatientenfälle für die Ärzteschaft enttäuschend ist, reagiere ab dem 01.01.2023 im Praxisalltag pragmatisch: Stelle dich auf die neuen Vorgaben ein, verstärke dein Abrechnungscontrolling und verschenke kein Honorar. 

Dieser Artikel ist von

Lisa König

Referentin Gesundheitspolitik

Dieser Artikel ist von

Meike Schmucker

LL.M. Medizinrecht
Consultant Arztmarkt, Redakteurin

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